Vater und Kind

Serie von aktuell ca. 80 Fotografien, dimensions variable
Langzeitprojekt, seit 2007

Das Projekt dokumentiert das Aufwachsen meiner Tochter und ihr Zusammensein mit ihrem Vater, meinem Mann. Keine dramatischen Momente oder starken Emotionen, sondern das alltägliche, gewöhnliche, in gewissem Sinne geruhsame und unspektakuläre Zusammensein mit einem Kind.

Das Projekt dokumentiert das Aufwachsen meiner Tochter und ihr Zusammensein mit ihrem Vater, meinem Mann. Im Zentrum steht die Beziehung zwischen Vater und Kind. Was bedeutet es, ein Kind beim Aufwachsen zu begleiten? Wie verbringt man Zeit mit einem Kind? Wie verhalten sich Nähe und Distanz, behüten und selbstständig werden lassen? Wann entsteht im Zusammensein eine gemeinsame Welt, wo bleibt jeder in seiner eigenen?

Wird ein Baby geboren, beginnt ein Programm abzulaufen: Das biologische Programm der Entwicklung des Kindes, sein Wachsen, Grösserwerden, die schrittweise Entfaltung seiner Fähigkeiten und Interessen. Gleichzeitig ist das, was wir tun mit einem Kind – welche Spiele wir spielen, wie wir uns einrichten und organisieren als Familie, wo wir im Alltag leben und wo wir unsere Ferien verbringen – nicht nur individuell, sondern in hohem Masse gesellschaftlich geprägt, abhängig von unserem kulturellen und sozialen Milieu und unseren ökonomischen Möglichkeiten. Das «Programm Familie» läuft ab.

Die Werbung, Eltern- und Frauenmagazine operieren mit idealisierenden Kinder- und Familienbildern. Private Fotoalben halten besondere Ereignisse in einem Familienleben fest. Die sozialdokumentarische Fotografie dagegen konzentriert sich häufig auf schwierige, konfliktive Situationen, den anstrengenden Alltag und dysfunktionale Verhältnisse. In den Bildern meiner eigenen Familie dokumentiere ich keine dramatischen Momente oder starken Emotionen, sondern das alltägliche, gewöhnliche, in gewissem Sinne geruhsame und unspektakuläre Zusammensein mit einem Kind. «Vater und Kind» zeigt einen Vater, der sich Zeit nimmt für sein Kind. Zeit zu haben, präsent zu sein scheint mir ein zentraler Aspekt der Arbeit zu sein, ein Kind aufzuziehen. Darin liegt eine spezielle Erfüllung. Gleichzeitig ist diese Präsenz anstrengend, in ihrer täglichen Wiederholung monoton, sind Sprechen und Spielen mit einem Kind manchmal langweilig.

In einer fotografischen Serie bewegt sich der Betrachter im Fluss der Zeit, der als solcher nicht dargestellt werden kann, sondern in den Lücken zwischen den einzelnen Momentaufnahmen entsteht. In «Vater und Kind» überlagern sich dabei zwei unterschiedliche Erfahrungsweisen von Zeit: Zeit als regelmässige Wiederholung alltäglicher Tätigkeiten, als zirkulärer Prozess, und Zeit als lineare, fortschreitende Entwicklung – das Aufwachsen, Sich-entfalten und Grösserwerden beim Kind, langsamer, weniger augenfällig und komplementär dazu das Älterwerden des Vaters.

Fotografiert in einem «dokumentarischen Stil», in einer vergleichsweise nüchternen und zurückhaltenden Bildsprache, halten die Bilder eine gewisse Distanz zu den beiden Protagonisten. Ihre Privatsphäre soll gewahrt bleiben. Die Porträtierten haben ihre eigene Welt – sowohl jeder für sich, als auch gemeinsam als Vater und Tochter –, welche die Mutter als Fotografin von aussen beobachtet und zu der sie nur beschränkt Zugang hat. Die beiden Figuren bewegen sich in ihrem eigenen «Film». Dieser entsteht in der dokumentierenden Beobachtung des Alltagslebens und wird gleichzeitig konstruiert über die Haltung der Autorin und ihre fotografischen Entscheidungen. Durch die Distanz, die die Kamera einnimmt, werden auch die Räume sichtbar, in denen sich die beiden Protagonisten aufhalten. Die Halbtotalen und Totalen erfassen dabei nicht nur Gesichter, sondern auch die Positionierungen der Körper in diesen Räumen. Gesten und Körperhaltungen zeigen Beziehung als «pas de deux», als konstante Bewegung von Näherkommen und Distanz, Sprechen und Berühren, sich einander zu- oder abwenden. Die vertrauten Situationen eröffnen dem Betrachter einen Bildraum, in der dieser seine eigenen Erfahrungen, Erinnerungen, Erwartungen und Vorstellungen von «Vater» und «Kind» spiegeln kann. Allenfalls stellt sich auch die Frage, welche Erwartungen wir an den Blick einer Mutter auf ihre Liebsten haben.